Religiös begründeter Extremismus
Das Landesdemokratiezentrum (LDZ) ist für die behördliche Koordinierung und Vernetzung aller relevanten Akteure im Themenbereich des religiös begründeten Extremismus zuständig. Der Themenbereich entspricht der zweiten Struktursäule des LDZ. Hierbei stützt sich das LDZ vor allem auf das Landesprogramm zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus sowie auf (Projekt-)mittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Neben größeren Modellprojekten in bestimmten, ausgeschriebenen Programmbereichen gibt es so die Möglichkeit, lokale Projekte und Initiativen gegen religiös begründeten Extremismus zu unterstützen. Des Weiteren stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für ein Projekt im Kontext Flucht Mittel zur Verfügung.
Das LDZ ist nicht in der Fallbearbeitung aktiv und koordiniert auch keine konkreten Fallanliegen. Falls Sie den Verdacht haben, dass sich eine Person in ihrem Umfeld radikalisiert und Sie nicht wissen, wie sie darauf reagieren können und sollten, wenden Sie sich bitte an die Beraterinnen und Berater der in Schleswig-Holstein aktiven Beratungsstellen wie z. B. PROvention. Falls Sie Kenntnis von einer bevorstehenden Straftat haben oder Anlass besteht, dass eine solche bevorsteht, wenden Sie sich bitte unverzüglich an das LKA oder eine Polizeidienstelle vor Ort.
Was ist Salafismus?
Beim Salafismus handelt es sich um eine islamistische Strömung. Solche Strömungen haben gemein, dass sie eine Ordnung auf Basis eines göttlichen Wertesystems – oft als allumfassendes Rechtssystem verstanden (šarīʿa) – anstreben, welches über grundlegende Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wie der Volkssouveränität und Demokratie gestellt wird. Anhänger_innen des Salafismus orientieren sich strikt und vollumfänglich an vermeintlich von Gott vorgegebenen Handlungs- und Wertleitlinien. Hierbei berufen sie sich in besonderem Maß auf eine idealisierte Frühzeit des Islams, den Propheten, seine Gefährten und die drei darauffolgenden Generationen, den sog. Altervorderen (salaf). Sie lehnen Glaubenspraktiken, Dogmen und Rechtsmethoden, die ihrer Sicht zuwider laufen, als unerlaubte „Neuerung“ (bidʿa) ab. Durch die Orientierung an einem verklärten Urzustand soll die islamische Gemeinschaft (umma) wieder zu alter Größe geführt werden.
Der Salafismus beruft sich in Theologie, Recht und Glaubenspraxis auf Koran und sunna – den überlieferten Aussprüchen und Handlung des Propheten Muhammads. Dies ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal des Salafismus. Auch andere muslimische Theologen und Rechtsgelehrte setzen diese als Grundlage von theoretischen und praxisbezogenen Erörterungen. Problematisch wird dies erst, sobald keine konkurrierenden Interpretationen zugelassen werden und geglaubt wird, den reinen Willen Gottes auch in komplizierten Streitfragen zweifelsfrei und offensichtlich erkennen zu können. Dies kann sogar dahin führen, dass Muslime mit abweichenden oder liberaleren Vorstellung als Ungläubige (kuffār) bezeichnet werden (takfīr).
Warum radikalisieren sich Jugendliche?
Der Salafismus gilt derzeit als die dynamistische extremistische Strömung. Deutschlandweit gibt es nach Verfassungsschutzangaben ca. 11 000 Anhängerinnen und Anhänger. Der Salafismus ist als extremistische Bewegung besonders für junge Frauen und Männer attraktiv, sodass er mitunter sogar als eine Art Jugendkultur beschrieben wird. Die Gründe, warum gerade Jugendliche sich vom Salafismus anziehen lassen, sind vielfältig und wissenschaftlich noch nicht hinreichend aufgearbeitet. Neben erlebten oder wahrgenommen Diskriminierungserfahrungen, Perspektivlosigkeit oder fehlenden Vorbildern gelten auch mangelnde religiöse Bildung sowie persönliche Krisen und Veränderungen als mögliche Faktoren, die zu einer Radikalisierung beitragen. Ebenfalls kann die jugendtypische Abgrenzung und die „Rebellion“ gegen das Establishment sowie die Aussicht, (vermeintlichen) Ungerechtigkeiten entgegentreten zu können, eine Rolle in der Radikalisierung spielen. Mögliche und tatsächliche Radikalisierungsprozesse sind dabei immer im jeweiligen Kontext zu sehen. Auch wenn mitunter typische Muster festgestellt werden können, bedarf es immer einer individuellen Bewertung und Aufarbeitung. Fast allen Radikalisierungen ist allerdings gemein, dass sie nicht im „luftleeren Raum“ stattfinden, sondern persönliche Beziehungen zur Radikalisierung beitragen - sowohl on- als auch offline.
Wo gibt es Hilfe bei Radikalisierung?
PROvention
In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung 2015 das Landesprogramm zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus aufgelegt. Über dieses Programm wird eine Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus, PROvention, unter Trägerschaft der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein gefördert. Mittlerweile arbeiten hier über 10 Beraterinnen und Berater, die aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammen und Beratungen unter anderem auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Türkisch, Persisch und Französisch anbieten. Das Team von PROvention berät Angehörige, Freunden sowie Bekannte von Personen, die von Radikalisierung oder Extremismus betroffen sind. Auch Ausstiegswillige können das Beratungsangebot nutzen. Die Beratungen erfolgen kostenlos, vertraulich sowie einzelfall- und lösungsorientiert. Darüber hinaus bietet PROvention öffentliche Vorträge, Weiterbildungen und Workshops für unterschiedliche Zielgruppen an.
Beratungsstelle „Radikalisierung“ des BAMF
Ebenfalls bietet die Beratungsstelle „Radikalisierung“ des BAMF Hilfe für von Radikalisierung Betroffene und stimmt sich gegebenenfalls mit PROvention über eine Beratung ab. In der Beratungsstelle „Radikalisierung“ des Bundesamtes erreichen Sie Sozialpädagogen, Politikwissenschaftler, Islamwissenschaftler und Psychologen. Beraten wird auf Deutsch, Türkisch, Arabisch, Englisch, Farsi, Russisch oder Urdu.
Weitere Maßnahmen gegen religiös motivierten Extremismus in Schleswig-Holstein
KAST e.V. / Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein: Projekt „Kick-off“
Das Modellprojekt „Kick-off“ wird ebenfalls über "Demokratie leben!" gefördert und durch das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein kofinanziert. Ziel ist die Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und der Bewährungshilfe. Die beiden Träger, die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein e.V. und KAST e.V., bearbeiten hierbei die beiden Bereiche des religiös motivierten Extremismus sowie des Rechtsextremismus. Neben der Einzelfallbetreuung werden darüber hinaus auch (religiöse) Gruppengespräche, Demokratieunterricht und Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter_innen im Strafvollzug und der Bewährungshilfe angeboten, soweit diese nicht bereits durch andere Angebote abgedeckt werden.
Förderung von Projekten zur Extremismusprävention
Das Landesdemokratiezentrum unterstützt Vereine, Verbände, Initiativen und Privatpersonen, die vor Ort Maßnahmen zur Extremismusprävention umsetzen möchten. Hierzu können Anträge beim Landesdemokratiezentrum eingereicht werden. Allgemeine Hinweise zur Antragstellung finden Sie hier.
Kontakt:
Landeskoordinierungsstelle gegen religiös motivierten Extremismus
Landesdemokratiezentrum
Postfach 7125 – IV 434
24171 Kiel
Tel.: 0431 / 988 3151
Fax: 0431 / 988 614 3151
Weitere Informationen
Fragen und Antworten zur Beratungsstelle des BAMF, aber auch grundsätzliche Fragen, woran man zum Beispiel erkennt, dass sein Kind gefährdet sein könnte, finden Sie hier:
FAQ Radikalisierung des BAMF >>
Aktivitäten islamistischer Akteure im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation